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Erika Zenk wohnte von 1963 bis 1990 in der Kleinen Münzstr. 2, 3040 Magdeburg. Als Vorsitzende der Volkssolidarität des ehemaligen Wohngebiets 068 erzählt sie vom Wiederaufbau, dem Bau des Blauen Bocks und dem Leben der Rentner im neuen „Blauen Wunder“. Frau Zenk ist inzwischen verstorben, hat uns aber in einem ausführlichen Brief an Ihrer Erinnerung im Rahmen der Arbeit für die Volkssolidarität zum Bau und Leben im Blauen Bock teilhaben lassen.

 

Wenn es um die Chronik der Volkssolidarität (VS) geht, so hat die 06 233 (der Blaue Bock) ein Stück Geschichte mit geschrieben. 1963 umfasste die damalige 068 das Gebiet von der Eisenbahnersiedlung Julius Bremer Str. bis zur Westseite des Breitenweges, die Wilhelm-Pieck-Allee  von der 16 bis zur 40, bis hin zur Erzberger Str.  10, Große und Kleine Schulstr., Tränsberg, Blaue Beil und Steinerne Tischstr. 10. Dazwischen gab es viele Trümmer. Ein Teil des Knattergebirges war von den Bomben verschont worden. Es war erschütternd zu sehen, wie die Menschen dort hausten. Die 06 hatte keinen Pfenning und keine Helfer. Es wurde der Beitrag derer gebraucht, die schon recht gut wohnten. Pieck Allee, Otto von Guericke Straße, Schweriner Straße und Große und Kleine Münzstraße. Nach und nach gelang es, für jedes dieser Häuser einen Helfer zu  gewinnen, der die Beiträge kassierte.

 

1963 und 1964 konnten schon einige unserer Mitglieder an der Weihnachtsfeier im Klub der VS  in der Zollstraße teilnehmen. Die Gruppe wuchs schnell. Bereits 1965  wurde im Frühstückszimmer und von 1960-1969  in der Juanitabar des Interhotels  Weihnachten gefeiert – mit künstlerischen Darbietungen des Anton Saefkow Essembles HdjP. Inzwischen gab es für die Gruppe eine neue Herausforderung: Nach einigen baulichen Pannen und Verzögerungen stand endlich das „Blaue Wunder“. Sieben Etagen mit jeweils 46 Einraumwohnungen, über 320 Menschen, davon etwa die Hälfte Rentner bzw. Invaliden, auch jene aus dem Knattergebirge. Sie erhielten die Südseitenwohnungen mit eigener Dusche. Die Nordseite mit Gemeinschaftsdusche stand jungen  Krankenschwestern, Monteuren, Schauspielern und anderen zur Verfügung. Es war für alle ein ungewohnter Komfort, Zentralheizung, Fahrstuhl, Müllschlucker, ein Hausmeister-Ehepaar, welches im Treppenhaus und überhaupt für Ordnung sorgte und  nicht zu vergessen der Blick auf den zentralen Platz mit seinen beleuchteten Springbrunnen, der jahreszeitlich wechselnden Bepflanzung, den Bäumen und Sträuchern. Das alles für 45,- später für 33,- Mark Miete.

 

Wieder wurde in der 06 das Geld knapp. Ziel war es damals alle älteren Bürger- auch wenn sie nicht Mitglied der VS waren zu betreuen. Wir bildeten eine Handarbeits- und Bastelgruppe an der sich auch Männer beteiligten. Vom Topflappen bis zu Holzarbeiten entstand vieles, was auf Basaren gern gekauft wurde. Nun kamen über 300 Veteranen zur Weihnachtsfeier, so dass diese von 1970-1986 im Café Moldau der Gaststätte Stadt Prag und als dort renoviert wurde, ab 1987 in der Belegschaftsgaststätte des Zentrum Warenhauses stattfanden. Bald gab es ein neues Problem. Die Appartements zur Südseite heizten sich im Sommer ziemlich auf, die Kochnische tat sein Übriges wieder machte sich der fehlende Klub in Stadt Mitte bemerkbar. Mit Unterstützung der HO Gaststättenleitung gelang es uns, ab dem 15.09.69 täglich 50 Essensplätze  im Café  Moldau zu reservieren. Dadurch festigte sich die Gemeinschaft im Blauen Bock sehr schnell. Man kannte sich, leistete Nachbarschaftshilfe und nicht zu vergessen. In jeder Etage gab es einen Volkshelfer der nicht  nur Beiträge und Essensgeld kassierte, auch Glückwünsche und Einladungen überbrachte und eine enge Verbindung zur 06 zig hatte. Schnell wurde bekannt, als plötzlich  viele eine fieberhafte Grippe hatten und den Weg zur  Poliklinik nicht schafften. Wir  sorgten dafür, dass  regelmäßig ein Arzt Hausbesuche machte. Erst als  eine Nordseitenwohnung  in der 1. Etage ausbrannte, konnte nach Überwindung einiger Schwierigkeiten eine Gemeindeschwester dort stationiert  werden.

 

Nachdem für das leibliche Wohl gesorgt war stellten wir verstärkt die kulturelle Betreuung in den Vordergrund. Ende 19er Jahre wurde in der Wilhelm Pieck Allee 14a und 14b, – dies ist die korrekte Bezeichnung  dieses Blockes – mit Hilfe der Bezirksbibliothek und einer sehr einsatzbereiten Helferin, die mit ihrer Familie die schwergewichtigen Transporte sowie die Buchausleihen übernahm –eine Hausbibliothek gegründet. Sie erfreute sich regen Zuspruchs. Weitere Verbindungen gab es mit dem Klub der Eisenbahner, sämtlicher Schulen und Gaststätten wie HdL usw. im Umkreis. Inzwischen war die Nordseite der Karl Marx Straße bebaut  und dort eine eigene 06 gebildet. Die Rentner des Blauen Bock`s waren immer mitten an. Nach dem Essen  gingen sie  in die Marillenbar oder zum Springbrunnen. Sie lebten nicht am Rande der Gesellschaft.

 

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